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Leben in der Wildnis

Leben in der Wildnis
Leben in der Wildnis
Richard Gress lebt das Abenteuer in der Wildnis und bei Naturvölkern. Fotos: Richard Gress/privat

Der Dokumentarfilmer und Abenteurer Richard Gress erzählt im Interview, warum er sich für ein Leben in der Wildnis entschieden hat.

Für die Leser, die Sie nicht kennen: Erzählen Sie bitte kurz etwas über sich.

Allgemein werde ich als Survival-Experte angekündigt. Ich habe lange Zeit in der Wildnis gelebt, habe von Naturvölkern gelernt. Seit den 90er-Jahren reise ich zu verschiedenen Naturvölkern und war in Dutzenden Nationalparks, habe ab 2003 für 14 Monate bei einem Naturvolk gelebt, mich komplett integriert und insgesamt sechs Jahre in der Wildnis gelebt.

„Diese Freiheit, die ich danach erlebt habe und auch heute immer wieder erlebe, habe ich in der Zivilisation nie erfahren.“

Wie kommt man auf so eine Idee?

Man geht diesen Weg Schritt für Schritt, nicht von heute auf morgen. Es ist ein Prozess, alles aufzugeben, die Wohnung und den Job zu kündigen, ist eine Entscheidung, die man nicht überstürzt trifft. Bei mir kam das dadurch, dass ich immer wieder auf Reisen war und mich dann schließlich einem Naturvolk angenähert habe.

Ich habe sie kennengelernt und wollte dann von ihnen lernen, was es heißt, in der Wildnis zu überleben. Das lernt man nicht in ein paar Tagen oder Wochen – dafür braucht es lange Zeit. Dafür muss man dann auch den ganzen Schritt gehen, nicht nur halbe.

Ich habe alles aufgegeben, bin zu dem Naturvolk gezogen. Anfangs, ohne zu wissen, wie lange diese Reise gehen wird und wie lange ich dort leben werde. Ich bleibe so lange, wie es mir gefällt – das war mein Plan. Daraus wurden dann 14 Monate.

Woher kam dieser Drang auszubrechen?

In meiner Kindheit habe ich mich schon sehr für Tiere und Länder, besonders Afrika, interessiert – viel mehr als andere – und das war bereits der Grundstein. Ich hätte damals natürlich nie gedacht, dass ich alles aus meinen Träumen mal sehen und erleben würde. Als junger Erwachsener bin ich dann zum Fotografieren in verschiedene Nationalparks gereist, und so kam es dann auch zu dem Kontakt mit Naturvölkern. Dieser Prozess hat 30 Jahre gedauert.

Der Schritt, alles aufzugeben – wie kam es dazu?

Ich habe mir vorher schon ab und zu für zwei, drei Monate unbezahlten Urlaub genommen und habe diese Expeditionen sehr genossen. Jedes Mal fiel es mir total schwer, wieder in den normalen Alltag zurückzukehren. Immer mehr entwickelte sich der Wunsch, wirklich frei zu sein. Also keine Deadlines zu haben, keine Termine, einfach so lange zu bleiben, wie ich es will. Diese Freiheit kann man nur erfahren, wenn man wirklich alles hinter sich lässt. Diese Freiheit, die ich danach erlebt habe und auch heute immer wieder erlebe, habe ich in der Zivilisation nie erfahren.

„Wenn ich jedoch irgendwann die Entscheidung treffen muss, (…) dann werde ich definitiv in die Wildnis gehen.“

Bitte gehen Sie näher auf die erfahrene Freiheit ein.

Es spielt nur noch das Hier und Jetzt eine Rolle. Man macht sich keine Gedanken mehr über die nächsten Wochen, Monate oder Jahre. Man macht es in der Wildnis einfach nicht, weil man nicht weiß, ob man es überhaupt erlebt. Viele Leute denken auch, dass man immer Angst hat oder unter Strom steht.

Genau das Gegenteil ist der Fall, denn man nimmt es einfach so hin, wie es ist. Wenn es einem gut geht, denkt man nicht darüber nach, ob es einem morgen auch noch gut geht. Man genießt die Situation und denkt nicht an die Zukunft.

Was verbinden Sie mit dem Begriff „Abenteuer erleben“?

Für mich ist das Abenteuer der ursprüngliche Beweggrund für meine Reisen. Ich habe mir das Abenteuer zwar nie ausgesucht, habe aber ziemlich schnell in der Wildnis gemerkt, dass es manchmal an die Grenzen geht. Es gibt Gefahren überall. Ich habe schnell gemerkt, dass ich mit diesen Gefahren gut umgehen kann, werde nicht panisch, bleibe ruhig und analysiere. Daher bin ich auch immer ein paar Schritte weiter gegangen als andere Leute.

Was macht die Verbindung zur Natur so reizvoll in Ihrem Leben?

Was wir in der Zivilisation von dem Begriff Natur verstehen, hat mit der wirklichen Natur nicht so viel gemein. Es ist nicht immer alles so idyllisch und wunderschön, wie wir es uns vorstellen. Natürlich ist die Natur sehr, sehr schön, sie kann aber auch grausam sein. Wenn man wirklich in der Wildnis ist, merkt man schnell, dass es ein Kampf unter den verschiedenen Lebewesen ist. Damit muss man klarkommen oder es lernen – das ist nicht immer leicht. Aber wenn man sich darauf einlässt, gibt es einem sehr viel innere Zufriedenheit.

Welches ist die schönste Region auf dieser Erde für Sie?

Für mich war und ist Afrika immer die Nummer eins.

Könnten Sie sich vorstellen, komplett in die Wildnis zu ziehen?

Ja. Ich habe jetzt die Möglichkeit, immer wieder zwischen beiden Welten hin- und herzuwandern. Ich kann in der Zivilisation leben, was für eine gewisse Zeit auch wunderbar ist. Und dann wieder in die Wildnis gehen. Wenn ich jedoch irgendwann die Entscheidung treffen muss, ob ich in Deutschland für den Rest meines Lebens einem Beruf nachgehen muss oder in die Wildnis, dann werde ich definitiv in die Wildnis gehen.

Wie erleben Sie den Kontrast – Wildnis/Zivilisation?

Anfangs, wenn man zurückkommt, freut man sich, weil es einfach unheimlich viele Annehmlichkeiten gibt, und diese kann ich dann auch sehr genießen. Das Schlimme ist nur, dass man sehr schnell wieder in den Alltagstrott rutscht, es wird langweilig, man möchte immer mehr, um die Langeweile zu kompensieren und um glücklicher zu sein. In der Wildnis habe ich gelernt, dass das nicht der Schlüssel für das wahre Glück ist.

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