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Wild und überwältigend: Das unentdeckte Atlantik-Kanada

Foto: Nova Scotia Tourism

Wild und überwältigend: Das unentdeckte Atlantik-KanadaZu Atlantik-Kanada zählen eine Reihe von Inseln und Halbinseln um den Sankt-Lorenz-Golf, besser bekannt als die Provinzen Neufundland und Labrador, Nova Scotia, Prince Edward Island und New Brunswick. Wer die Region großzügig definiert, zählt auch noch die Inseln Îles de la Madeleine und Île d’Anticosti dazu, die beide zur Provinz Québec gehören. Atlantik-Kanada ist aufgrund seiner wild-romantischen Küsten, der ausgezeichneten Küche und großartiger Gastfreundschaft beliebt, doch es gibt noch immer unentdeckte Orte und Erlebnisse abseits der üblichen Pfade.

Bay of Fundy: Gigantischer Tidenhub für New Brunswick und Nova Scotia

2014 wurde die Bay of Fundy zu einem der Naturwunder der Erde gewählt und zählt auch aufgrund der weltweit höchsten Gezeiten und seltener Walarten zu den sieben nordamerikanischen Wundern. Wenn es darum geht, die Bucht zu erkunden, heißt der Geheimtipp in jedem Fall Kajaken. Die meisten Besucher entscheiden sich für eine Walbeobachtungstour auf einem Boot, Kajaktouren sind dagegen weniger gebucht. Dabei sind beim Kajaken die Chancen, auf Orcas, Finn-, Buckel-, Zwerg-, Blau- und andere Walarten zu stoßen, weitaus größer als auf großen Booten mit Motorlärm. Zudem lässt sich die Küste beim Paddeln rund um jeden Felsen und bis in die kleinsten Höhlen erkunden. Eine Paddeltour mit dem Kajak um die beeindruckenden Flowerpots, die Blumentopf-Formationen im Hopewell Rocks Park, ist in jedem Fall ein überwältigendes Erlebnis.  Dabei empfiehlt es sich, mit Blick auf die Gezeiten zu planen, denn der bis zu 21 Meter hohe Tidenhub verändert die Küste teilweise grundlegend. Die Flowerpots von Hopewell Rocks etwa sind bei Ebbe besonders beeindruckend, weil dann die gesamte Pracht der Felsen vom Wasser freigegeben wird. Die Flut hingegen ist notwendig, um Tidal Bore Rafting zu erleben: Während das Wasser beim Tidenhub in die Flussmündungen an der Nordwestküste Nova Scotias drückt, fahren Abenteuerlustige mit dem Schlauchboot hinaus, um einen echten Achterbahnritt zu erleben. Das gleiche Naturspektakel der Gezeitenwelle inklusive mutiger Wellenreiter auf Surfbrettern lässt sich auch am Petitcodiac River in New Brunswick beobachten.

Die Bay of Fundy bietet nicht nur atemberaubende Outdoor-Erlebnisse, sondern ist zudem ein Mekka für frisches Seafood und guten Wein. Das bekannte Annapolis Valley in Nova Scotia ist bei Wein- und Hummerfreunden äußerst beliebt, wer etwas weniger Trubel wünscht, richtet den Fokus am besten auf die Südküste New Brunswicks rund um den Fundy Nationalpark. Lohnenswert ist auch ein Tagestrip nach Advocate Harbour, einem kleinen Fischerort mit einer der schönsten Küsten der Umgebung. Im nahegelegenen Cape Chignecto Provincial Park können sportlich Ambitionierte ins Hinterland wandern oder mit dem Kajak zur Felsformation der Three Sisters paddeln.

Eisberge statt Wale: Neufundland und Labrador

Ende Mai und Anfang Juni ist Hochsaison auf der Iceberg Alley. Dann bahnen sich 10.000 Jahre alte Eisberge ihren Weg aus Grönland oder der kanadischen Arktis durch das Gebiet zwischen der Küste von Labrador und der Nordostspitze von Neufundland. Die beliebtesten Aussichtspunkte für das Iceberg Viewing liegen an der Nordküste Neufundlands, darunter die Gemeinden Bonavista, Twillingate, La Scie und St. Anthony oder Cape Spear nahe der Hauptstadt St. John’s. Etwas schwieriger sind die guten Spots im südlichen Labrador erreichbar: Nach St. Lewis, Battle Harbour, Red Bay und Point Amour geht es von Neufundland aus nur mit der Fähre, zur Eisbergmigrationszeit sind diese Orte daher auch weniger stark besucht. Natürlich ist eine Bootstour eine gute Option, um Eisberge zu sehen, wer den Eisriesen jedoch ohne Zeitdruck und Gedränge richtig nah kommen möchte, der sollte ins Kajak steigen. Wo und wann der nächste Eisberg zu finden ist, verrät der Eisberg-Finder im Internet, der auch außerhalb der Hochsaison verrät, wo Eisberge gesichtet werden können.

Das Paradies für Leuchtturmfans: Prince Edward Island

Foto: Tourism PEI John Sylvester

Die kleinste Provinz Kanadas, Prince Edward Island, ist äußerst flach, von einigen Hügeln und Felsklippen mal abgesehen. Daher stechen auch die zahlreichen, wunderbaren Leuchttürme der Insel überall ins Auge. Von den über 60 vorhandenen Türmen sind bis heute mehr als 30 aktiv, sieben befinden sich in Privatbesitz, sieben sind National Historic Sites, die anderen wurden stillgelegt. Einer der schönsten und bekanntesten ist das Point Prim Lighthouse. Der Turm wurde 1845 erbaut, ist der älteste Leuchtturm auf PEI und der einzige runde auf der gesamten Insel (alle anderen Türme sind vier- oder sechseckig). Natürlich sind nicht alle Türme auf PEI zu besichtigen. Neben Point Prim sei Liebhabern das Souris East Lighthouse empfohlen, da dort die Außengalerie für Besucher begehbar ist.  Der Turm liegt am Points East Coastal Drive, der rund 50 Strände, zahlreiche Dörfer und malerische Landschaften der Ostküste auf 475 Kilometer Länge miteinander verbindet. Ebenfalls einen Besuch wert sind der erste hölzerne Leuchtturm der Insel, das Panmure Island Lighthouse, sowie das East Point Lighthouse am gleichnamigen östlichsten Punkt der Insel, da dort die Gezeiten der Northumberland Strait und des Sankt-Lorenz-Golfs sichtbar aufeinandertreffen. Ebenfalls sehenswert: das North Cape Lighthouse am nordwestlichsten Ende PEIs, das Wood Islands Lighthouse mit Museum und  einem „Rum-running room“ aus der Prohibitionszeit, und das West Point Lighthouse, Kanadas erster aktiver Leuchtturm, in dem auch übernachtet werden kann.

Naturwunder und Mysterien: New Brunswick

Obwohl New Brunswick zu den atlantiknahen kanadischen Provinzen zählt, wird es am wenigsten vom Klima des Golfs oder Meeres beeinflusst. Die Provinz schließt im Westen an den US-Bundesstaat Maine und im Norden an Québec an, während Prince Edward Island und Nova Scotia von Osten und Süden her wie ein Schutzschild wirken. Dementsprechend präsentiert sich abseits der Bay of Fundy und der Küste des Sankt-Lorenz-Golfs auch ein ganz anderes Atlantik-Kanada: Weitläufige Wälder und viel Süßwasser machen New Brunswick zu einem Outdoor-Spielplatz, der vielerorts an Skandinavien erinnert. Der höchste Berg ist der 817 Meter hohe Mount Carleton im gleichnamigen Provincial Park im Norden, der als einer der Höhepunkte des kanadischen Teils des Appalachian Trail gilt. Weiter südlich locken zwischen der Hauptstadt Fredericton und der amerikanischen Grenze weitere Provinzparks mit Natur pur für Freunde des Campens, Wanderns und Paddelns. Die Ruhe und Abgeschiedenheit der Natur wusste bereits der 32. Präsident der Vereinigten Staaten zu schätzen: Franklin D. Roosevelt wählte Campobello Island als sommerlichen Rückzugsort und besaß dort eine „Hütte“ mit 34 Zimmern, die heute besichtigt werden kann. Absolut sehenswert ist der Roosevelt-Campobello International Park. New Brunswick hat zwei atemberaubende Naturwunder zu bieten. An der Bay of Fundy gelegen, sind die Reversing Falls of Saint John den außerordentlichen Veränderungen der starken lokalen Gezeiten ausgesetzt, was tatsächlich dazu führt, dass das Wasser seine Fließrichtung mehrmals am Tag verändert. Ganz so einfach lässt sich das andere Phänomen nicht erklären. Der unscheinbare Moncton Magnetic Hill verwirrt seit über 80 Jahren Autofahrer aus der ganzen Welt: Lässt man am Fuße des Hügels die Bremse los, rollt das Fahrzeug scheinbar bergauf. Zauberei oder eine optische Illusion? Am besten selbst ausprobieren…

Surfkult und 100 wilde Inseln: Nova Scotias unentdeckte Ostküste

Foto: Nova Scotia Tourism

Nicht umsonst ziert die Aussage Canada’s Ocean Playground die Autokennzeichen Nova Scotias. Geografisch tatsächlich eine Halbinsel, ist die Provinz jedoch so gut wie komplett von Wasser umgeben. Während die Zentralregion um die Hauptstadt Halifax, der Süden zwischen Lunenburg und Yarmouth, die im Norden vorgelagerte Insel Cape Breton und die Küste an der Bay of Fundy bereits außerordentlich beliebte Reiseziele sind, ist der östliche Teil zwischen Halifax und dem Strait of Canso touristisch noch relativ unbekannt. Ein halbes Dutzend Wilderness Areas und unzählige Seen und Flüsse durchziehen dort die Landschaft. Die Küste der Eastern Shore ist völlig den Launen des Atlantiks ausgesetzt, was seit einigen Jahren trotz kalter Wassertemperaturen immer mehr Surfer anlockt. Wellenreiten, Kitesurfen und Windsurfen sind gleichermaßen je nach Wind, Wetter und Jahreszeit möglich. Die bekanntesten Reviere liegen unmittelbar vor den Toren der Hauptstadt: die Strände von Lawrencetown Beach Provincial Park und Martinique Beach Provincial Park. Wen es weiter nach Osten verschlägt, der lässt schließlich nicht nur die Naherholungssuchenden hinter sich, sondern auf weiten Strecken auch das Handynetz – perfekt, um einmal komplett vom Alltag abzuschalten und Land und Leute auf sich wirken zu lassen. Die Eastern Shore ist auch die Heimat eines der wenigen unberührten Archipele Nordamerikas: Die 100 Wild Islands zwischen Clam Harbour und Mushaboom sind leicht mit dem Kajak oder Boot zu erreichen und Teil der geschützten Eastern Shore Islands Wilderness Area. Der Besucher findet geschützte Buchten mit türkisfarbenem Wasser und unberührten weißen Sandstränden, raue Landzungen, boreale Regenwälder, Moore und Brachland sowie eine Vielfalt an See-, Sing- und Küstenvögeln. An der Eastern Shore muss der Besucher nicht auf die Spezialitäten Nova Scotias verzichten: Hummer, verträumte Fischerorte und Historisches wie das Acadian House Museum, Sherbrooke Village oder das Fisherman’s Life Museum sowie zauberhafte Unterkünfte finden sich im unbekannteren Teil der Provinz natürlich ebenfalls.

Atlantik-Kanadas Nationalparks

Neben mehreren hundert Provinzparks und zahlreichen Wilderness Areas finden sich in Atlantik-Kanada neun der insgesamt 45 kanadischen Nationalparks. Der Cape Breton Highlands Nationalpark in Nova Scotia ist vielleicht einer der schönsten, aber auch extrem gut besucht, da er am beliebten Cabot Trail liegt. Sable Island National Park Reserve vor der Küste Nova Scotias ist bekannt für Wildpferde, nur per Flugzeug oder Boot erreichbar und ein echter Geheimtipp. Der Kejimkujik Nationalpark liegt im Landesinneren und ist als einziger Park Nova Scotias nicht mit dem Meer verbunden, dafür gibt es dort ausreichend Süßwasser zum Paddeln und Schwimmen. Neben dem bereits erwähnten, für seine Rekordtiden bekannten Fundy Nationalpark, wartet New Brunswick auch noch mit dem Kouchibouguac Nationalpark an der ruhigeren Northumberland Strait auf. Beide Parks sind in der Hochsaison gut besucht, aber nie übermäßig überlaufen. Die Strände des Prince Edward Island Nationalparks dagegen sind gerade bei Familien sehr beliebt und daher nur bedingt zu den Hauptreisezeiten zu empfehlen. Weniger Besucher sind in den drei Nationalparks in Neufundland und Labrador zu erwarten. Der Gros Morne Park mit seinen beeindruckenden Fjorden und Bergen ist der bekannteste und daher vor allem im Sommer ein gut besuchtes Ziel. Ebenfalls relativ leicht zu erreichen und beliebt bei Kajakfahrern ist der Terra Nova Nationalpark. Der dritte, der Torngat Mountains Nationalpark, ist sowohl ein Geheimtipp als auch eine eigene Klasse für sich: Kein Wunder, denn die Anreise an die abgelegene Nordspitze von Labrador ist nicht gerade einfach – dort befinden sich Besucher bereits auf Höhe der Südspitze Grönlands.

Das maritime Québec: Die wunderbaren Inseln im Sankt-Lorenz-Golf

Wer der Zivilisation entkommen möchte, ohne sich gleich auf eine Reise ins Ungewisse aufzumachen, der sollte die Québecer Inseln Madelaine und Anticosti im Sankt-Lorenz-Golf ins Visier nehmen. Per offizieller Definition sind die Inseln kein Teil von Atlantik-Kanada, sondern gehören zu Québec maritime, dem in Meeresnähe liegenden Teil der französischsprachigen Provinz. Während die Îles de la Madeleine eine Gruppe aus neun Haupt- und mehreren kleinen Nebeninseln auf einer Gesamtfläche von 206 Quadratkilometern sind, ist die Île d’Anticosti mit einer Fläche von etwa 7.890 Quadratkilomatern die größte Insel in Québec, allerdings mit nicht einmal 300 ständigen Einwohnern, dafür mit reichen Wald- und Tierbeständen. Letzteres ist nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass 572 Quadratkilometer der Insel Nationalpark sind. Die Lage mitten in der Mündung des Sankt-Lorenz-Stroms ist außerdem perfekt für Walbeobachtungen. Wem das nicht reicht, der besucht das Eco-Museum, Port Menier, die einzige Siedlung der Insel, oder die sechs Leuchttürme. Im Vergleich dazu sind die Îles de la Madeleine mit rund 13.000 Bewohnern vergleichsweise dicht besiedelt. Früher lebten dort hauptsächlich Fischer und Schiffsbrüchige, die sich auf die kleinen Inseln retten konnten. Heute wird die traditionelle Fischerei immer noch hochgehalten, doch der Tourismus spielt eine viel wichtigere Rolle. Dennoch ist man auch auf den die Îles de la Madeleine noch abseits ausgetretener Pfade unterwegs, denn die Anreise per Fähre von Prince Edward Island oder per Flugzeug über Montréal ist von Europa aus nicht gerade kurz. Dafür können Besucher den Alltag garantiert hinter sich lassen und völlig in das Inselleben eintauchen: Meer, fast 300 Kilometer Strand, eine interessante Tierwelt, die Kunst, Kulinarik und Kultur der Bewohner sowie Aktivitäten wie Paddeln, Kitesurfen oder Fahrrad fahren laden zum völligen Entspannen ein.

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